Karl Kraus

österreichischer Schriftsteller (1874-1936)
Karl Kraus

Karl Kraus (1874-1936) Bearbeiten

österreichischer Schriftsteller und Publizist

Zitate mit Quellenangabe Bearbeiten

Aphorismen Bearbeiten

  • „Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient! Lasst uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient!“ – Aphorismen
  • „Da das Halten wilder Tiere gesetzlich verboten ist und die Haustiere mir kein Vergnügen machen, so bleibe ich lieber unverheiratet.“ – Aphorismen
  • „Keine Grenze verlockt mehr zum Schmuggeln als die Altersgrenze.“ – Aphorismen

Fackel Bearbeiten

 
 
  • „Bei gleicher Geistlosigkeit kommt es auf den Unterschied der Körperfülle an. Ein Dummkopf sollte nicht zu viel Raum einnehmen.“ – Fackel 275/276 26; Sprüche und Widersprüche
  • „Besser es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigstens keine Scherereien mit der Polizei.“ – Fackel 251/252 43; Sprüche und Widersprüche
  • Bildung ist das, was die meisten empfangen, viele weitergeben und wenige haben.“ – Fackel 277/278 58; Pro domo et mundo
  • „Das Christentum hat die erotische Mahlzeit um die Vorspeise der Neugier bereichert und durch die Nachspeise der Reue verdorben.“ – Fackel 259/260 42; Sprüche und Widersprüche
  • „Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben.“ – Fackel 270/271 34; Sprüche und Widersprüche
  • „Das sind die wahren Wunder der Technik, daß sie das, wofür sie entschädigt, auch wirklich kaputt macht.“ – Fackel 360/361 3; Nachts
  • „Daß Bäcker und Lehrer streiken, hat einen Sinn. Aber die Aufnahme der leiblichen oder geistigen Nahrung verweigern, ist grotesk. Wenn es nicht etwa deshalb geschieht, weil man sie für verfälscht hält. Die lächerlichste Sache von der Welt ist ein Bildungshungerstreik. Ich stimme schon für die Sperrung der Universitäten; aber sie darf nicht durch einen Streik herbeigeführt werden. Sie soll freiwillig gewährt, nicht ertrotzt sein.“ – Fackel 159/260 20; Sprüche und Widersprüche
  • „Dem Bedürfnis nach Einsamkeit genügt es nicht, daß man an einem Tisch allein sitzt. Es müssen auch leere Sessel herumstehen. Wenn mir der Kellner so einen Sessel wegzieht, auf dem kein Mensch sitzt, verspüre ich eine Leere und es erwacht meine gesellige Natur. Ich kann ohne freie Sessel nicht leben.“ – Fackel 326/328 40; Pro domo et mundo
  • „Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb.“ – Fackel 270/271 32; Sprüche und Widersprüche
  • „Der Historiker ist nicht immer ein rückwärts gekehrter Prophet, aber der Journalist ist immer einer, der nachher alles vorher gewusst hat.“ – Fackel 298/299 46; Nachts
  • „Der Scharfsinn der Polizei ist die Gabe, alle Menschen eines Diebstahls für fähig zu halten, und das Glück, daß sich die Unschuld mancher nicht erweisen lässt.“ – Fackel 264/265 25; Sprüche und Widersprüche
  • „Der Skandal fängt an, wenn die Polizei ihm ein Ende macht.“ – Fackel 263 27-28; Sprüche und Widersprüche
  • „Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, daß er die Menschen schlechter machen kann.“ – Fackel 277/278 60; Pro domo et mundo
  • „Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt.“ – Fackel 264/265, S. 24; Sprüche und Widersprüche
  • „Der Zuhälter ist das Vollzugsorgan der Unsittlichkeit. Das Vollzugsorgan der Sittlichkeit ist der Erpresser.“ – Fackel 309/310 34; Pro domo et mundo
  • „Die deutsche Sprache ist die tiefste, die deutsche Rede die seichteste.“ – Fackel 406/412 152; Nachts
  • „Die kleinen Stationen sind sehr stolz darauf, daß die Schnellzüge an ihnen vorbei müssen.“ – Fackel 317/318 32; Pro domo et mundo
  • „Die österreichische Überzeugung, daß dir nix g'schehn kann, geht bis zu der Entschlossenheit eines Mannes, der auf Unfall versichert ist und sich deshalb ein Bein bricht.“ – Fackel 381/383 70; Nachts
  • „Die Sprache entscheidet alles, sogar die Frauenfrage. Daß der Name eines Weibes nicht ohne den Artikel bestehen kann, ist ein Argument, das der Gleichberechtigung widerstreitet. Wenn es in einem Bericht heißt, »Müller« sei für das Wahlrecht der Frauen eingetreten, so kann es sich höchstens um einen Feministen handeln, nicht um eine Frau. Denn selbst die emanzipierteste braucht das Geschlechtswort.“ – Fackel 287 19; Pro domo et mundo
  • „Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens.“ – Fackel 288, S. 14, Pro domo et mundo
  • „Die stärkste Kraft reicht nicht an die Energie heran, mit der manch einer seine Schwäche verteidigt.“ – Fackel 275/276 28; Nachts
  • „Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muss mit einem Satz über sie hinauskommen.“ – Fackel 264/265 33; Sprüche und Widersprüche
  • „Ein dick aufgetragener Vaterstolz hat mir immer den Wunsch eingegeben, daß der Kerl wenigstens die Schmerzen der Zeugung verspürt hätte.“ – Fackel 445/453 18, 18.1.1917; Nachts
  • „Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen.“ – Fackel 329/330 10; Sprüche und Widersprüche
  • „Eine merkwürdige Art Mensch ist der Beamte eines magistratischen Bezirksamtes. Erledige ich eine Angelegenheit schriftlich, so lädt er mich vor. Gehe ich das andere Mal gleich selbst hin, so fordert er mich auf, eine Eingabe zu machen. Ich muss rein auf die Vermutung kommen, daß er das eine Mal mich kennen lernen und das andere Mal ein Autogramm von mir haben wollte.“ – Fackel 270/271 33; Sprüche und Widersprüche
  • „Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Es würde zu lange dauern.“ – Fackel 266 24; Sprüche und Widersprüche
  • „Einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es kann, ist oft schwer. Viel leichter ist es, einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es nicht kann.“ – Fackel 275/276 29; Sprüche und Widersprüche
  • „Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern.“ – Fackel 277/278 61; Pro domo et mundo
  • Erotik ist Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral.“ – Fackel 198, S. 3
  • „Es gibt nur eine Möglichkeit, sich vor der Maschine zu retten. Das ist, sie zu benützen. Nur mit dem Auto kommt man zu sich.“ – Fackel 323 17; Pro domo et mundo
  • Gedanken sind zollfrei. Aber man hat doch Scherereien.“ – Fackel 237 7; Sprüche und Widersprüche
  • „Ich habe mich mein Lebtag geschämt, ein Österreicher zu sein, und nie mich dieser Scham geschämt, wissend, daß sie der bessere Patriotismus sei.“ – Fackel 554/556 2; Klarstellung
  • „In Wien stellen sich die Nullen vor den Einser.“ – Fackel 324/325 26; Pro domo et mundo
  • „Kein Zweifel, der Hund ist treu. Aber sollen wir uns deshalb ein Beispiel an ihm nehmen? Er ist doch dem Menschen treu und nicht dem Hund.“ – Fackel 251/252 39; Sprüche und Widersprüche
  • „Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten.“ – Fackel 281, 20 books.google (1909); Pro domo et mundo
  • „Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.“ – Fackel 697, 60 books.google (1925)
  • Populärer scheint eine nicht von Kraus stammende Modifizierung zu sein:
„Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben, man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken.“ – Thilo Koch: Zwischentöne. Ein Skizzenbuch. Ullstein 1963. S. 63 books.google
„Es genügt nicht nur, keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein sie auszudrücken!“ – Wolfgang Neuss LP Wolf Biermann zu Gast bei Wolfgang Neuss, Philips 1965
  • Künstler ist nur einer, der aus der Lösung ein Rätsel machen kann.“ – Fackel 406/412 138; Nachts
  • Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.“ – Fackel 309/310 40; Pro domo et mundo
  • „Sie ist mit einer Lüge in die Ehe getreten. Sie war eine Jungfrau und hat es ihm nicht gesagt.“ – Fackel 256 26; Sprüche und Widersprüche
  • „Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!“ – Fackel 202 2; Sprüche und Widersprüche
  • Tugend und Laster sind verwandt wie Kohle und Diamant.“ – Fackel 445/453, S. 3
  • „Vieles, was bei Tisch geschmacklos ist, ist im Bett eine Würze. Und umgekehrt. Die meisten Verbindungen sind darum so unglücklich, weil diese Trennung von Tisch und Bett nicht vorgenommen wird.“ – Fackel 445/453 9; Nachts
  • „Vielleicht ginge es besser, wenn die Menschen Maulkörbe und die Hunde Gesetze bekämen, wenn die Menschen an der Leine und die Hunde an der Religion geführt würden. Die Hundswut könnte in gleichem Maße abnehmen wie die Politik.“ – Fackel 198;299 46; Pro domo et mundo
  • „Wien, diese vollständige Schatzkammer aller menschlichen Fühllosigkeit und politischen Ehrlosigkeit “ – Fackel 501/507 91; „Nachruf“ 25. JANUAR 1919 „Weltgericht“ II. Band, Leipzig 1919. S. 282 archive.org, https://www.textlog.de/39275.html
  • „Wohltätige Frauen sind oft solche, denen es nicht mehr gegeben ist, wohlzutun.“ – Fackel 275/276 28; Sprüche und Widersprüche
  • „Zum Teufel mit dem Geschwätz über die sexuelle Aufklärung der Jugend! Sie erfolgt noch immer besser durch den Mitschüler, der im Lesebuch das Wort »Horen« anstreicht, als durch den Lehrer, der die Sache als eine staatliche Einrichtung erklärt, die so wichtig sei und so kompliziert wie das Steuerzahlen.“ – Fackel 264/265 24; Sprüche und Widersprüche

Sprüche und Widersprüche Bearbeiten

  • „Den Leuten ein X für ein U vormachen – wo ist die Zeitung, die diesen Druckfehler zugibt?“ – Sprüche und Widersprüche (IV. Presse, Dummheit, Politik); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 82
  • „Der Momo ist ein unentbehrlicher pädagogischer Behelf im deutschen Familienleben. Erwachsene schreckt man damit, daß man ihnen droht, der Psychiater werde sie holen.“ – Sprüche und Widersprüche (IV. Presse, Dummheit, Politik); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 90
  • „Der Sport ist ein Sohn des Fortschritts, und er trägt schon auf eigene Faust zur Verdummung der Familie bei.“ – Sprüche und Widersprüche (IV. Presse, Dummheit, Politik) 1909; Suhrkamp, 1988 S.78
  • „Der Voyeur besteht die Kraftprobe des natürlichen Empfindens: Der Wille, das Weib mit dem Mann zu sehen, überwindet selbst den Widerwillen, den Mann mit dem Weib zu sehen.“ – Sprüche und Widersprüche (I. Weib, Phantasie); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 26
  • „Die anständigen Frauen empfinden es als die größte Dreistigkeit, wenn man ihnen unter das Bewusstsein greift.“ – Sprüche und Widersprüche (I. Weib, Phantasie); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 35
  • „Die Rechtsstellung des Zuhälters in der bürgerlichen Gesellschaft ist noch nicht geklärt. Er ist ihr Auswurf. Denn er achtet, wo geächtet wird; er beschützt, wo verfolgt wird. Er kann für seine Überzeugung auch Opfer bringen. Wenn er jedoch für seine Überzeugung Opfer verlangt, fügt er sich in den Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die zwar dem Weib die Prostitution nicht verzeiht, aber die Korruption dem Manne.“ – Sprüche und Widersprüche (II. Moral, Christentum); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 47 f.
  • „Die Sitte verlangt, daß ein Lustmörder den Mord zugebe, aber nicht die Lust.“ – Sprüche und Widersprüche (II. Moral, Christentum); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 45
  • „Die Zeitung ist die Konserve der Zeit.“ – Sprüche und Widersprüche (VIII. Stimmungen, Worte); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 174
  • Enthaltsamkeit rächt sich immer. Bei dem einen erzeugt sie Wimmerln, beim anderen Sexualgesetze.“ – F 229 p 2, Sprüche und Widersprüche (II. Moral, Christentum); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 45. (Anmerkung: „Wimmerln“ ist das österreichische Wort für Akne, Pickel etc.)
  • Krieg ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.“ – Nachts. Aphorismen 1924. https://www.textlog.de/39302.html, http://gutenberg.spiegel.de/buch/aphorismen-9475/10
  • Schönheit vergeht, weil Tugend besteht.“ – F229 p 5, Sprüche und Widersprüche (II. Moral, Christentum); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 54
  • „Was sind alle Orgien des Bacchus gegen die Räusche dessen, der sich zügellos der Enthaltsamkeit ergibt!“ – Sprüche und Widersprüche (IX. Sprüche und Widersprüche)
  • „Wir leben in einer Gesellschaft, die Monogamie mit Einheirat übersetzt.“ – Sprüche und Widersprüche (VIII. Stimmungen, Worte); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 174
  • „Wo nehm ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen?“ – Sprüche und Widersprüche (VI. Schreiben und Lesen); in: G. Fieguth: Deutsche Aphorismen, Reclam Verlag, Stuttgart 1978, S. 220
  • „Wie? Die Menschheit verdummt zugunsten des maschinellen Fortschrittes, und wir sollten uns diesen nicht einmal zunutze machen? Sollten mit der Dummheit Zwiesprache halten, wenn wir ihr in einem Automobil entfliehen können?“ Sprüche und Widersprüche (IV. Presse, Dummheit, Politik); Suhrkamp, 1988 S.70

Letzte Worte Bearbeiten

Andere Bearbeiten

  • „Das Feigenblatt des Neides ist sittliche Entrüstung.“ – Der Fall Riehl
  • „Der Autor, der fremde Kostüme ausklopft, kommt dem stofflichen Interesse von der denkbar bequemsten Seite bei. Der geistige Leser hat deshalb das denkbar stärkste Misstrauen gegen jene Erzähler, die sich in exotischen Milieus herumtreiben.“ – Heine und die Folgen
  • Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält. “ – Nachts (Zeit); in: G. Fieguth: Deutsche Aphorismen, Reclam Verlag, Stuttgart 1978, S. 227

Zitate mit Bezug auf Karl Kraus Bearbeiten

  • „KARL KRAUS. Nichts trostloser als seine Adepten, nichts gottverlassener als seine Gegner. Kein Name, der geziemender durch Schweigen geehrt würde. In einer uralten Rüstung, ingrimmig grinsend, ein chinesisches Idol, in beiden Händen die gezückten Schwerter schwingend, tanzt er den Kriegstanz vor dem Grabgewölbe der deutschen Sprache.“ – Walter Benjamin, Einbahnstraße, KRIEGERDENKMAL, Rowohlt, Berlin 1928, S. 50

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